Interview mit Daniela Mueller



1.       Was war der Grund deines Aufenthalts in Kamerun?

Ich wollte schon seit langer Zeit nach dem Abitur ein Jahr in Afrika verbringen und bewarb mich deshalb bei einer christlichen Organisation, die Freiwilligendienste im Ausland anbietet. Kamerun kannte ich davor kaum, aber auf dem Infoseminar hat mich die Stelle dort am meisten angesprochen. Außerdem unterhält die Kirchengemeinde in meinem Heimatort eine Partnerschaft mit einer Kirche der PCC, in die ich meine Erfahrungen der Zeit in Kamerun einbringen wollte. Ich habe dort in einem Jugendzentrum der PCC mitgearbeitet, das heißt ich war im Kindergarten dabei, habe Computer-Kurse gegeben und ein wenig ICT in der Grundschule unterrichtet.

 

2.       Wie lange bist du dort geblieben?

Ich bin Anfang September 2011 nach Kamerun geflogen und Mitte August 2012 zurückgekehrt- ich konnte also fast ein ganzes Jahr Kamerun erleben.

 

3.       Welche Stadt hast du besucht?

Ich habe im Nordwesten Kameruns in Kumbo gelebt, dort ist nun mein zweites Zuhause. In Bamenda war ich natürlich auch öfters, weil es die nächstgrößere Stadt ist. Während meines Aufenthalts konnte ich viel reisen und so war ich auch in Douala, Yaoundé, Buea, Limbe, Kribi, Kumba, Ngaoundéré, Garoua, Maroua,…., ich habe also wirklich einen gutenEinblick in das Land bekommen.

 

4.       Welche Erfahrung hast du dort gemacht?

Es ist unmöglich alle Erfahrungen von diesem besonderen Jahr zusammenzufassen, es waren einfach so viele und so unterschiedliche, aber alle sehr bereichernd. Ein paar davon:

Ich habe das teilweise gemütlichere Lebenstempo genossen. Wenn es in der nassen Jahreszeit geregnet hat, haben viele Menschen dort nicht gearbeitet und es wurde sehr ruhig in der Stadt. Im Vergleich zu Deutschland haben wir meist gewartet,bis der Regen aufhörte und das kamerunische Treiben wieder an Tempo gewann.

Im Rückblick war es ein Jahr, in dem ich gelebt habe statt nur zu leisten. Es tat gut, einfach dort zu sein. Durch Begegnungen und Besuche habendie Kameruner dort und ich viel übereinander gelernt und mir wurde bewusst, wie wichtig der Austausch zwischen unseren Ländern und Kulturen ist.

Es hat mich sehr beeindruckt wie die Kameruner ihre Leben teilen, man macht scheinbar einfach alles zusammen. Gemeinschaft spielt eine viel größere Rolle als in Deutschland. Wie viele Kameruner sich um ihre Nächsten kümmern, ist wirklich sehr nachahmenswert, finde ich.

Auch von der Lebensfreude der Kameruner können wir uns hier eine große Scheibe abschneiden. Sehr erstaunt hat mich, wie Beerdigungen von alten Menschen dort ablaufen.Es ist schön, dass weniger die Trauer, sondern die Dankbarkeit über das Leben der Person im Mittelpunkt steht.

Ich habe in Kamerun die Einfachheit schätzen gelernt. Mehrmals habe ich gedacht, dass ich viele der schönsten Stunden dort bei einem Freund verbracht habe, der wirklich wenig besitzt. Sein Wohnzimmer besteht aus einem kaputten Sofa, einem Schrank und einem kleinen Tisch. Wir saßen oft nur bei Kerzenschein und aßen gemeinsam, während Mäuse auf dem Boden vorbeihuschten. Und dennoch oder gerade deshalb war es wunderbar.

Mein Horizont hat sich sehr geweitet. Unter anderem habe ich nunviel mehr Verständnis für Ausländer in Deutschland: Erst wenn man sich selbst einmal „fremd“ gefühlt hat, kann man nachvollziehen,wie sich Migranten hier wohl fühlen. Wenn ich in Kumbo andere Weiße getroffen habe, haben wir gleich wie selbstverständlich Erfahrungen ausgetauscht. Wenn ich denselben Menschen in Deutschland auf der Straße begegnet wäre, hätten wir uns vermutlich nicht einmal angeschaut.

Allein die ganzen Erlebnisse und Eindrücke, die ich mitgenommen habe, waren meinen Aufenthalt wert. Sie haben mich sehr geprägt und ich will sie nicht mehr missen.

 

5.       Wie hat Dir das Leben in Kamerun gefallen?

Die Zeit in Kamerun war das Jahr meines Lebens! Es gab unzählige schöne Momente- nur ein paar Blitzlichter davon:

-          Die süßen Kinder, wenn sie morgens vor dem Kindergarten auf mich zugesprungen kamen

-          Die unglaubliche Gastfreundschaft, wohin ich auch kam

-          Das leckere Essen und  frisches Obst

-          Die Stimmung, wenn im Gottesdienst alle zusammen singen, tanzen, Musik machen

-          Das Kleiderwaschen von Hand draußen während man sich nett mit Vorbeikommenden unterhält

-          Das lustige Fußballspielen mit Freunden im Schlamm

-          Die ganzen Feste und Abende in der Kneipe beim Essen, Trinken und Tanzen

-          Die Gemütlichkeit, wenn man zusammen in der Firewoodkitchen sitzt und kocht

-          Die farbenfrohen, extra angefertigten Kleider

-          …

Ich durfte in einem Jahr so viele neue Freunde kennenlernen, manchmal ganz unterschiedlich zu Freundschaften in Deutschland, aber mindestens genauso schön.

Ich habe eine atemberaubend schöne Natur gesehen, deren Anblick ich teilweise gar nicht fassen konnte: Mount Cameroon, Sandstrände, Savannen und Vulkanlandschaften im Norden, Regenwälder, …

 

6.       Was hat dir nicht gefallen?

Natürlich sehe ich die Korruption und AIDS als große Probleme an. Die Bürokratie in Kamerun funktioniert oft noch langsamer als in Deutschland und lehrte mich so Geduld. Auch daran, dass Hierarchien eine viel größere Rolle spielen, musste ich mich erst gewöhnen. Meine Arbeit frustrierte mich des Öfteren, wenn zum Beispiel der Strom während des PC-Unterrichts ausfiel oder die Schüler nicht kamen. Auch bei meinem Visum gab es mehrere Probleme. Während meines Aufenthaltes spielte Geld leider oft eine große Rolle, was mich aber auch zum Nachdenken über Gerechtigkeit gebracht hat, was sicher sehr wertvoll ist. Manchmal war es außerdem nicht einfach, als weiße Frau zu unterscheiden, wer denn wirklich ein guter Freund werden möchte und wer mich nur als Geldquelle oder Brücke nach Europa nutzen will.

Generell habe ich durch Kamerun allerdings gelernt weniger zu werten, sondern Dinge einfach als anders zu betrachten, aber deshalb nicht unbedingt als schlechter…

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